Journalist Wolfgang Müller über Rudolf Steiner

Journalist Wolfgang Müller über Rudolf Steiner

Von einem großen „Lehrer und Lernenden“

Die Leiterin des Zweigs Goslar der Anthroposophischen Gesellschaft, Dr. Claudia Menzel, begrüßt den Autor und Journalisten Wolfgang Müller im Kleinen Heiligen Kreuz.

Auch 100 Jahre nach dem Tod Rudolf Steiners gibt es ein Interesse an dem Begründer der Anthroposophie. Das stellte Autor Wolfgang Müller am Dienstagabend im Kleinen Heiligen Kreuz fest, als immer noch mehr Stühle in die Diele gestellt werden mussten, weil weitere Besucher durch die Pforte drängten. Der Journalist, der vor wenigen Wochen sein drittes Buch „Das Rätsel Rudolf Steiner – Irritation und Inspiration“ vorlegte, war vom Zweig Goslar der Anthroposophischen Gesellschaft zu Vortrag und Gespräch eingeladen worden.

Müller, 1957 in Heidelberg geboren, lebt in Hamburg und war bis 2020 Redakteur für Zeitgeschichte beim Norddeutschen Rundfunk. Er veröffentlichte auch in zahlreichen Zeitungen zu politischen und kulturgeschichtlichen Themen. Zur Anthroposophie verfasste er unter anderem 2021 das vielgelesene Buch „Zumutung Anthroposophie“.

Für sein Publikum, das aus Anthroposophie-Kennern und -Interessierten bestand, wählte Müller fünf markante „Bilder“ aus, anhand derer er der Biografie Steiners mit Zitaten und Beschreibungen folgte. Dabei zeichnete sich ein Weg ab, der in die großen Felder der Anthroposophie – Pädagogik und Heilpädagogik, Medizin, Landwirtschaft, soziale Dreigliederung und die Begründung der Christengemeinschaft – führte.

Die pädagogischen Anfänge des jungen Rudolf Steiner, der 23-jährig als Hauslehrer für ein „Sorgenkind“ in Wien eingestellt wurde, beschrieb Müller ebenso wie den akademischen „Umweg“ des 1861 im heutigen Kroatien geborenen Goethe-Forschers. Dass er die naturwissenschaftlichen Schriften des großen deutschen Dichters in jahrelanger Arbeit herausgegeben habe, habe ihn von seinem eigentlichen Weg abgebracht, der in die Philosophie und eine Professur führen sollte, so Müller. Das prozesshafte Denken Goethes etwa bei der Metamorphose der Pflanzen stellte der Journalist in Bezug zu Steiner unter den Titel „Wahrheit in Bewegung“.

Auch Steiners Verzweiflung über „seine eigenen Leute“ thematisierte Müller. Gegen Ende des Lebens – Steiner starb am 30. März 1925 64-jährig in Dornach – sei er enttäuscht gewesen, dass nur wenige aktiv geworden und sich selbst forschend auf den Erkenntnisweg der Anthroposophie, die auf christlicher Basis wissenschaftlich einen Zugang zur geistigen Welt eröffnen will, gemacht hätten.

Die Angriffe auf Steiner beschlossen das Bild, das Müller im Kleinen Heiligen Kreuz malte. Ihm sei bewusst gewesen, dass man nicht überall beliebt sein könne. Dennoch sei er nicht „in eine Nische geflohen.“ Er sei ein großer Lehrer gewesen. „Aber er war auch ein großer Lernender.“